MusikWoche

Recorded & Publishing

Wie hat sich der [Budde Musikverlag](/company/budde-music-publishing) seit [Ihrem](/person/prof-dr-rolf-budde) Einstieg im September 1983 entwickelt?
Die Entwicklung war rasant. Denn kurze Zeit nach meinem Einstieg im September 1983 hat mein Bruder im Januar 1984 "Forever Young" von Alphaville produziert. Zwar hatten wir vorher schon als Subverleger viele Erfolge wie die Beatles, aber dieser internationale Erfolg hat uns auf eine ganz andere Ebene befördert. Wir hatten einen Dreijahresvertrag mit Warner Music, was in manchen Ländern funktionierte, in manchen nicht. Danach machten wir keine weltweiten Verträge mehr, sondern bauten uns ein weltweites Netzwerk in Kooperationen mit familiengeführten Verlagen auf, die in den einzelnen Ländern wirklich etwas bewegen. Bei einem Major kannst Du Dich zwar über Länderverantwortliche beschweren, aber bringen tut das nichts. 1986 gründeten wir Budde USA, 1989 übernahmen wir den Verlag Claude Pascal in Paris, so dass wir dann wirklich international aufgestellt waren.

Wie kam es zur Akquise des Verlags von Claude Pascal?
Wir erfuhren 1989 relativ spät, dass Claude Pascal sich aus Altersgründen von seiner Firma trennen wollte. Wir riefen ihn an. Er sagte, ja, es stimmt, ich habe vor, meine Firma zu verkaufen. Aber ich verhandle schon seit drei Monaten mit Bertelsmann. Die haben auch schon geprüft und wollen binnen zehn Tagen unterschreiben. Dann sagten wir, dass wir uns das einmal ansehen wollen und stellten schnell ein Anwaltsteam zusammen. Wir prüften in zwei Tagen die Firma vor Ort und unterschrieben am dritten Tag. Das war sozusagen die interessante Komponente, wie man mit persönlichem Engagement, Schnelligkeit und Flexibilität erfolgreich sein kann.


Wird es die Budde Musikverlage auch noch im Jahr 2020 geben, oder werden Sie bis dahin den Verlockungen der globalen Konzerne erlegen sein, die einen so prosperierenden Verlag gern übernehmen würden?
Die Fusionen im großen Bereich führten dazu, dass ein hohes Interesse an mittelständischen Musikverlagen besteht. Um die ganz Großen dieser Branche wird wie irre gekämpft, für den Nachwuchs und den Mittelstand entsteht plötzlich ein Loch. Da sind der Sachverstand und auch die Ruhe, die in einem mittelständischen, familiengeführten Unternehmen herrschen, gefragt und nicht der hektische Blick auf die Jahresergebnisse. Wir planen langfristig. Wir werden unseren Weg konsequent weitergehen, denn guter Service ist immer gefragt. Vor zehn Jahren hat die GEMA 50 bis 60 Prozent unseres Ertrags ausgemacht - aktuell ist es nur noch ein Drittel. Ein Drittel machen wir mittlerweile mit der Administration für kleinere Labels und Verlage, ein Drittel mit direkten Lizenzen. Unsere Mitarbeiterzahl hat sich in Deutschland seit 2000 von zwölf auf 25 verdoppelt. Allerdings muss man auch sagen, dass mir viele Entwicklungen Sorgen bereiten. So sind die GEMA-Abrechnungen viel zahlreicher geworden, machen aber bei kleinerer Abrechnungssumme die gleiche Arbeit. Außerdem steht bei den alten Musikverlagen ein großer Repertoirewandel an, da die Hits der Fünfziger und Sechziger nicht mehr so oft im Radio gespielt werden und kaum noch etwas einbringen. Von unseren rund 350.000 Songrechten sind wahrscheinlich nur zehn Prozent aktiv. Die Halbwertszeit der Songs sinkt dramatisch. Das hätte ich in diesem Ausmaß nie für möglich gehalten. Umso wichtiger ist, dass mein Sohn neue Perlen entdeckt.


Ihr Sohn hat in den vergangenen Jahren ein Songwriter-Camp aufgebaut, bei dem sich Autoren aus vielen Ländern trafen, um gemeinsam Titel zu schreiben. Wie hat sich das für Budde ausgezahlt?
Das erste Songwriter-Camp im Herbst 2010 in New York war für mich ein völlig neues Gebiet. Mein Sohn Benjamin veranstaltete es mit Autoren aus unserem Haus vier Wochen lang in einem großen Appartement, einer ehemaligen Lagerhalle in New York. Er konnte viele amerikanische Autoren überzeugen, im Songwriter-Camp mit den Budde- Autoren zusammen Songs zu schreiben. Daraus entstand zum Beispiel "Do You Like What You See" von Ivy Quainoo, der Gewinnertitel bei "The Voice Of Germany". Man entwickelte aber nicht nur gemeinsam Songs, sondern knüpfte auch viele Kontakte. Und die halten bis heute. Die Autoren schicken sich gegenseitig weiterhin Titel zu. Daraus sind viele weitere Songcamps entstanden wie in Berlin, Stockholm, London und Los Angeles.


Wird es den Autoren und Musikverlegern bis 2020 eher schlechter oder besser gehen?
Zur Problematik mit YouTube kommt derzeit die Diskussion über die Bedeutung des Streamings hinzu. Streaming führt sicherlich dazu, dass einige Leute, die sich bis jetzt illegal Musik heruntergeladen haben, zu diesen Anbietern wechseln. Aber dass das die Ertragsquelle der Zukunft sein soll, kann ich mir nicht vorstellen. So entspricht ein Download wertmäßig 25 Streams. Und es macht die gleiche Arbeit, ob man viel Geld bekommt oder wenig. Man muss unendlich viele Daten verarbeiten und Dinge erreichen, die im Endeffekt dazu führen, dass man weniger Ertrag hat. Insofern sehe ich das Ganze skeptisch. Wir müssen uns diesem Thema stellen; aber eine richtige Antwort habe ich dazu noch nicht.


Sehen Sie in Zukunft eine ernsthafte Konkurrenz für die GEMA?
Natürlich. Die große Gefahr, die ich als Verleger mit großer Sorge sehe, sind die Diskussionen, die gerade über die Global Repertoire Database (GRD) stattfinden. Sie werden angeschoben von der EU-Kommission, die bei den sogenannten Nutzern auf der Onlineseite für ganz Europa eine einheitliche Lizenz ermöglichen möchte. Gerade die EU hat festgestellt, dass das nur geht, wenn man auch eine einheitliche Datenbank hat. In dieser Diskussion sind aber nicht nur die Verwertungsgesellschaften dabei, sondern auch der internationale Verlegerverband ICMP. In diesem unmittelbaren Gremium ist auch Google. Da sträuben sich mir die Haare, weil ich es höchst bedenklich finde, dass damit ein Unternehmen, das später die Datenbank nutzen will, jetzt dabei sitzt als ein wichtiger Mitbestimmer und vorgibt, in welche Richtung es gehen soll. Da wird über unsere Daten gesprochen. Das macht mir große Sorge. Darüber hinaus macht mir Sorge, dass auf der Verlegerseite der ICMP für die Musikverleger spricht. Präsident des ICMP ist der Chef von Universal Music Publishing, einer Tochterfirma des Konzerns Universal. Also fehlt ein unabhängiges Gremium mit mittelständischen Verlegern.


Was wollen Sie dagegen tun?
Derzeit gibt es Gespräche zwischen deutschen und französischen Verlegern, ob man ein Gremium bildet, um in dieses Gespräch mit einbezogen zu werden. Denn die Verwertungsgesellschaften werden auf keinen Fall Daten, die zum Beispiel der GEMA gehören, in irgendeiner Weise anderen aushändigen. Die GEMA braucht dringend Unterstützung in diesem Bereich. Das können außer den Autoren eigentlich nur die mittelständischen Verleger sein. Denn die Majors haben ein großes Interesse daran, über eine Datenbank zu verfügen wo sie nur auf den Knopf drücken müssten. Dann bräuchten sie keine nationalen Büros mehr, sondern hätten einen Standort für ganz Europa in London. Das ist nicht die Welt der unabhängigen mittelständischen Unternehmen. Da müssen wir uns jetzt dringend melden, so schnell wie möglich. Das ist wichtig. Denn die Entscheidungen werden bald getroffen.


Welche Möglichkeiten sehen Sie überhaupt, mit denen die mittelständischen Verleger noch Einfluss auf diese Beschlussfassung nehmen können, wenn so ein Kontrollgremium nicht kommt?
Ich freue mich, dass wir unter den unabhängigen Verlegern seit der Midem im Januar Gespräche führen, zunächst einmal zwischen den Deutschen und Franzosen. Und es werden noch andere Länder mit hinzukommen. Wir haben eine kleine Arbeitsgruppe. Diese wird sich im Rahmen der Berlin Music Week in Berlin treffen. Eile ist geboten. Wir brauchen ein Büro in Brüssel. Eigentlich wartet man schon auf unsere Stellungnahme zu dem Thema. Wir hörten bei der diesjährigen Tagung des Deutschen Musikverleger Verbands in Rostock einen Vortrag über die Global Repertoire Database. Ich sah die Betroffenheit der Kollegen, als ihnen bewusst wurde, was da mit unseren Daten passieren könnte. Wir müssen hier unmittelbar und schnell handeln.


Worin besteht heute die Herausforderung für die Musikverlage?
Die Bedeutung der Verlage ist gewachsen. Durch die sinkenden CD-Verkäufe spielen Synchrechte für Film und Werbung eine wesentlich größere Rolle. Durch die Fusionen bei den Majors fehlen den Autoren oft die Ansprechpartner und viele fallen durch den Rost. Wir füllen diese Lücke und sind mittlerweile mit den Majors auf Augenhöhe. Wir bekommen Autoren, bei denen wir vor zehn Jahren überhaupt keine Chance gehabt hätten. Wir überzeugen durch ein jahrelang aufgebautes Vertrauensverhältnis zu den Künstlern und durch per - sonelle Kontinuität. Bei den Majors sitzen die entscheidenden Leute in London. In Deutschland sind die Büros personell ausgedünnt, die handelnden Personen wechseln auch noch häufig, so dass man nach einem Jahr die Verantwortlichen nicht mehr kennt.


Wie können jungen Autoren am besten ihre Werke schützen?
Wir haben in Deutschland ein sehr gutes Urheberrecht und sollten es ausbauen. Bei der Auswertung hat sich in den vergangenen fünf, sechs Jahren gezeigt, dass die Musikverleger wieder an Bedeutung gewinnen. Bei der Entwicklung von Produkten gerade in diesem diffusen Musikmarkt, wo sich neue Dinge aufstellen und wo Verwertungen hinterfragt werden, ist eine beratende Stimme wie die eines Musikverlegers mit einem guten Blick in die Szene für die Autoren existenziell.


Haben Sie jemals über Alternativen zur Arbeit bei Budde nachgedacht?
Mein Vater, der den Verlag 1947 gegründet hat, war Kaufmann und ein klassischer Musikverleger. Mein acht Jahre älterer Bruder war schon immer fürs Kreative zuständig, und für mich war schon mit 15 Jahren klar, dass ich Jura studieren werde, um im Verlag diesen Bereich abzudecken. Unser Vater hat uns aber nicht gedrängt, bei ihm einzusteigen. Er hat immer gesagt, ihr müsst nicht, aber ich würde mich sehr freuen, wenn ihr einmal den Verlag übernehmt.


Wie schmerzhaft war die Zäsur durch den Tod Ihres Bruders?
Mein Bruder ist 2007 viel zu früh verstorben. Natürlich war es ein Schock, aber ich habe dann das Unternehmen erfolgreich weitergeführt. Ich bin sehr froh, dass mein Sohn jetzt als Head of Creatives diesen Bereich übernommen hat und neue Autoren für uns gewinnt.


Welche Bestandteile Ihres umfangreichen Rechtekatalogs sind Ihre "Lieblingsrechte"?
Ich denke, dass "Forever Young" von Alphaville für uns am Bedeutsamsten war. Es war ein entscheidender Punkt in meiner Karriere. Jeder Mitarbeiter bei uns wählte einen Songtitel für die Rückseite seiner Visitenkarte. Ich entschied mich für "Forever Young".


Sie sind ausgewiesener Kunstsammler und Max- Liebermann-Experte. Wie kam es dazu?
1993 wurde ich von einem Freund auf eine Liebermann- Sammlung angesprochen, die bei einer Bank als Sicherheit hinterlegt war und nun verkauft werden sollte. Gemeinsam mit Freunden habe ich dann diese Sammlung erworben. Ich habe die Max-Liebermann-Gesellschaft mitgegründet, die nach einem langen Kampf 2006 das ehemalige Liebermannsche Sommerhaus am Wannsee als Museum eröffnen konnte. Jährlich 80.000 bis 90.000 Besucher sorgen dafür, dass wir ohne öffentliche Gelder auskommen.


Zur Person
Der Berliner Musikverleger Prof. Dr. Rolf Budde feiert am 6. September 2013 sein 30-jähriges Berufsjubiläum. Der 57-jährige Jurist ist Geschäftsführer des seit 66 Jahren bestehenden Rolf Budde Musikverlags in Berlin. Unter seiner Ägide wurde das Unternehmen zu einem der weltweit erfolgreichsten privaten Musikverlage. Für seine deutsch-französischen Musikinitiativen verlieh die französische Regierung Rolf Budde den Ritterorden Chevalier dans l'ordre des Arts & Lettre. Der Bundespräsident würdigte 2010 Buddes kulturelles Engagement und verlieh ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik. Als Vorsitzender der Max-Liebermann- Gesellschaft hat Budde seit mehr als zehn Jahren dazu beigetragen, dass das Gesamtwerk des deutschen Malers viele Besucher aus aller Welt nach Berlin zieht, um die Werke in der Liebermann- Villa zu sehen. Rolf Budde ist Dozent an der Freien Universität (FU) Berlin und an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler". Er gehört dem Aufsichtsrat der GEMA an und ist Mitglied im Vorstand des Deutschen Musikverleger- Verbands (DMV)...

Rolf Budde im Interview: "Wir befinden uns auf Augenhöhe mit den Majors"