MusikWoche

Recorded & Publishing

Wenn Weggefährten einen anderen Weg einschlagen, bedeutet das auch immer ein Überdenken der gemeinsamen Zeit.

Alfred Hilsberg war ein Besessener, der sich ohne Rücksicht auf Verluste (ORAV war dafür die Kurzform) für die Musik seiner Künstler, und sei sie noch so obskur, einsetzte. Technisches Können war nicht der Maßstab, es ging um Ausdruck, Haltung und Originalität, große Namen waren ihm eher suspekt. 

Ich erinnere mich an eine Sendung Anfang der 80er Jahre auf NDR 2, wo der "Sounds"-Journalist Alfred Hilsberg neue Platten vorstellte. Der geduldige Moderator fragte ihn, was er von den Rolling Stones hielte. Alfred meinte, na ja, die gibt es ja schon lange, da wäre die Single von einer Hamburger Vorstadtband doch dreimal interessanter.

Erfolg und Kommerz waren zwar keine Fremdworte für ihn, aber es war nicht leicht damit umzugehen – ob mit den ersten Alben von Einstürzende Neubauten und Abwärts oder später der große Coup als "Hamburger Schule Direktor". War tatsächlich mal etwas Geld übrig, wurde es in das nächste Projekt gesteckt. Die Entdeckungsreise war ihm wichtiger als ein Häuschen mit Garten.

Noch in den letzten Monaten unterbreitete er Indigo, dem jahrzehntelangen Vertrieb seines Labels, Vorschläge für spannende Veröffentlichungen. Aufgrund seiner gesundheitlichen Situation mussten diese Projekte jedoch immer wieder verschoben
werden.

Ich bin mir nicht sicher, ob Alfred seine Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. Es wäre spannend zu lesen, mit wie viel Engagement er seine Projekte gegen immense Widerstände durchsetzte, wie er mit seiner Meinung und Haltung Diskussionen anfachte und Musiker, Medienleute und artverwandte Künstler beeindruckte.

Ich zolle ihm tausend Dank für die gemeinsame Wegstrecke!

Nikel Pallat

Indigo Musikproduktion + Vertrieb

Nikel Pallat gedenkt seines Weggefährten Alfred Hilsberg